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Ute Bales

Autorin im Rhein-Mosel-Verlag

Rezension über Ute Bales – „Die Welt zerschlagen“

 

Nichts ist komplizierter für mich, als über das Buch von Ute Bales, der Geschichte der Malerin Angelika Hoerle, zu schreiben, und gleichzeitig ist es mir ein Herzensbedürfnis. Zum einen war Angelika, die Freundin meiner Großmutter Marta Hegemann, die 13. Fee an meiner Wiege, Namenspatin und Auftrag an die Verpflichtungen eines Malerinnenwesens.

Nichts ist komplizierter für mich, als über das Buch von Ute Bales, der Geschichte der Malerin Angelika Hoerle, zu schreiben, und gleichzeitig ist es mir ein Herzensbedürfnis. Zum einen war Angelika, die Freundin meiner Großmutter Marta Hegemann, die 13. Fee an meiner Wiege, Namenspatin und Auftrag an die Verpflichtungen eines Malerinnenwesens. Zum anderen ist ihre Geschichte mit der meinen tief verflochten, obwohl sie am Tag meiner Geburt bald dreißig Jahre tot war. Ich, Maf Räderscheidt, Malerin, Grafikerin, Zeichnerin und Performancekünstlerin, bin im Atelier von Marta Hegemann aufgewachsen. Marta war keine nette Großmutter. Sie war eine strenge Intellektuelle, die mich das Handwerk der Malerei lehrte. Und oft erzählte sie mir die Geschichten von Angelika Hoerle, meiner Patin und Fee.
Schon früh war Angelika mein Vorbild, wenn es um Widerstand gegen Autoritäten, gegen den Mainstream oder das angepasste Denken ging. Sie weckte in mir den Hunger nach den noch nicht begangenen Wegen, nach dem Neuen, nach dem, was die Zeitgenossen provoziert und in ihrer Tumbheit enttarnt. Angelika, im Alter von nur 23 Jahren ihrer Schwindsucht erlegen, bewies in dem wenigen, was sie der Nachwelt hinterlassen hat, Avantgarde und Feinsinn, dort, wo ihre männlichen Mitstreiter schon die Waffen streckten.
Ohne es zu wissen, hat Ute Bales den Ton dieser Zeit verwoben mit dem Klang der Lebensmelodien, als sei dem Buch "die Welt zerschlagen", eine eigene Filmmusik unterlegt. Besonders berührt mich, wie es gelingt, das Köln der Zwanziger Jahre wieder auferstehen zu lassen. In der Dialektik von Aufbruch und hoffnungsvoller Spannung spürt der Leser, warum Köln zur Kunststadt wurde. So erzählte es meine Großmutter: Die Kunstgeschichte legte ihren Farbhauch über die trostlosen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, während die jungen Künstler, traumatisiert von den Erfahrungen der Schlachtfelder neue Wege suchten und fanden. Frauen, zum ersten Mal im Genuss des Wahlrechts, brachten statt rollenkonformen Wohlverhaltens Talent und Intellekt ein. Beispielhaft dafür Angelika Hoerle, die, ohne je den Ruhm kosten zu dürfen, die späteren Götter der Palette inspiriert und beeinflusst hat. Der Preis, den sie zahlte, war hoch, aber ihn teilte sie mit vielen Geschlechtsgenossinnen. Ihr trauriges Schicksal und ihre Verlassenheit treffen tief, aber mehr noch ihre Entschlossenheit, entschieden ihre Linien zu ziehen, zu zeichnen und das Unmögliche zu wagen .
Ein Buch, das so mitreißend wie ein Roman ist. Doch gleichzeitig ist es wie eine Zeitkapsel zu öffnen. Und was dabei der Büchse der Pandora entsteigt, sollte Pflichtlektüre für Menschen mit Träumen und Kunststudenten werden. Und auch wenn meine Großeltern im richtigen Leben nie so freundlich waren, wie im Buch, für mich wird in „Die Welt zerschlagen“ mit der Zeitgeschichte auch ein Stück Familiengeschichte wach. Es hat mich mitten ins bunte Herz getroffen.

 

Maf Räderscheidt
www.maf-art.com
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