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Ute Bales

Autorin im Rhein-Mosel-Verlag

Laudatio auf Ute Bales zur Verleihung des Sonderpreises

 

Wer ist Peter Zirbes? Kein Name, der einem sofort geläufig ist. Nun, Peter Zirbes ist ein nicht sonderlich berühmter Eifeldichter, eine real existierende historische Gestalt, der Ute Bales sich schreibend nähert und somit diesem Mann eine späte Anerkennung zuteil werden lässt.

Ihr Roman beginnt in einer unwirtlichen Novembernacht unmittelbar nach der Jahrhundertwende im Jahr 1901 in dem Eifelort Niederkail unweit von Wittlich. Es ist die Nacht, in der das Leben von Peter Zirbes endet. Und dann folgt der Anfang. 450 Buchseiten widmet Ute Bales diesem Mann, einem Steinguthändlersohn, dessen Mutter weder lesen noch schreiben kann. Und die diese Fähigkeiten auch nicht für wichtig hält.

Aber da gibt es einen Großvater, der dem kleinen Jungen Geschichten erzählt. Sagen und gereimte Verse. Und der ihm vermittelt, dass Dichter etwas zum Klingen bringen können. „Ein Gespür für die Schönheit der Welt wecken, so ähnlich wie Musik.“

Wir sehen ihn vor uns, den kleinen Jungen mit den kurzen Beinchen, zerlumpt, wie er hinter dem Händlerwagen hertrottet. Wie er winters in der Schulbank sitzt und mit dem Griffel über die Schiefertafel kratzt. Wie er langsam die Sprache, die Geschichten, als sein Refugium entdeckt, in das er sich zurückziehen kann - sein Gehöchtnis, wie es im Eifler Dialekt heißt.

Sprache ist ihm Mittel gegen den grauen Alltag. Gegen Elend und Not. Er muss schreiben, auch mit hungrigem Magen. Es ist ihm ein tiefes Bedürfnis.

Er empfindet, was andere nicht empfinden, er sieht, was andere nicht sehen. Das notiert er in seine schwarze Kladde, die er immer bei sich trägt. Er wird dafür gehänselt und ausgegrenzt. Weil den Menschen zu allen Zeiten das Andersartige suspekt war und ist.

Ute Bales schreibt nah an der Realität. Man spürt: Es steckt viel Recherche in diesem Roman. Aber da ist auch ein gewisses Maß an Fantasie und Anteilnahme. Wir spüren: so - genau so hätte es sein können.

Böse Zungen nennen die Eifel „Preußisch Sibirien“ oder auch das „Armenhaus Preußens“. Ute Bales, die sehr mit dieser Landschaft vertraut ist, weil sie dort aufgewachsen ist, lässt all ihr Wissen und ihre Empathie in den Roman einfließen. Das karge Leben findet seinen Ausdruck in einer klaren und bildhaften Sprache, die durchsetzt ist mit dialektischen Einsprengseln, die die Wahrhaftigkeit und Authentizität betonen. Sie lässt ein Dreiviertel Jahrhundert lebendig werden, beschreibt das Auf und Ab des kargen Hausiererlebens, das sie zeitgeschichtlich und topographisch verortet.

Das Vergangene im Gegenwärtigen aufbewahren, das ist das große Verdienst von ihr, der Nachgeborenen. Dies gilt nicht nur für den hier ausgezeichneten Roman, sondern auch für ihre beiden anderen zuvor erschienen Eifel-Romane.

Wenn man Ute Bales Buch – natürlich nach dem Lesen - zuschlägt, hat man viel erfahren – über das, was Menschsein bedeutet, über Lebenskampf und Selbstbehauptung, über Zeitgeschichte, über Stillhalten und Aufbegehren - und wie man all dies in eine angemessene Sprache fassen kann. Somit gibt sie dem romantisch-verbrämten und oftmals betulich daherkommenden „Heimatroman“ ein neues, ein angemessenes Profil.

Dafür haben wir ihr zu danken. Herzlichen Glückwunsch!

 

Gabriele Korn-Steinmetz